Name Teherba
In Blätter für literarische Unterhaltung Jahrgang 1874, Zweiter Band, Theodor von der Ammer writes under the heading "Novellistisches"
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Um so erfreulicher war es für mich, in der Mehrzahl dieser Arbeiten fein empfundene, in der Form elegante und auch in der Composition spannende Leistungen zu finden. Dies Lob verdienen zunächst:
- Marianne. Eine Novelle von Ferdinand von Saar. Heidelberg, G. Weiß. 1873. Gr. 16. 20 Ngr.
- Die Steinklopfer. Eine Geschichte von Ferdinand von Saar. Heidelberg, G. Weiß. 1874. Gr. 16. 17% Ngr.
- Waldtrauer. Ein Liebessang von Julius Weil. Berlin, Hausfreund-Expedition. 1872. 16. 27 Rgr.
- Gretchen. Erzählung aus der Heimat von E. Alberti. Kiel, von Wechmar. 1874. Gr. 16. 21 Ngr.
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Von der unter Nr. 3 angeführten Erzählung „Waldtrauer“, von Julius Weil, läßt sich dasselbe wie von Nr. 1 in Bezug auf zu sentimentale Stimmung sagen. Schon die für eine in Prosa geschriebene Novelle bedenkliche Bezeichnung „Liebessang“ gibt wie der Titel eine Ahnung davon. Das in künstlerisch tüchtiger Weise durchgeführte Werk hat in seiner elegischen Tonart einen störenden Beigeschmack süßer Romantik, wie sie einst Mode war. Es muthet den über die Jahre weicher Schwärmerei von „gebrochenen Herzen“, „Grabessehnsucht“ u. dgl. glücklich Hinausgelangten eine sittliche Schwäche, Gefühlshysterie an. Es ist dieser Mangel an gesunder Lebensauffassung, die der Erde Weh und Sorge ja keineswegs ignorirt, sondern vielleicht mit energischerer Tiefe erfaßt, um so mehr in diesem Buche zu bedauern, als ein wirklich bezaubernder Duft von Poesie, eine Frische der Begeisterung und Grazie des Gedankenausdrucks sich darin findet, welche in gesündern Darstellungen des Lebens Treffliches leisten könnte.
Der Inhalt ist in größter Kürze folgender: Ein junger Gelehrter geht zur Erholung zu seinem Onkel, einem Förster. Seine beiden Cousinen, reizende Geschöpfe, verlieben sich in ihn, er in sie, sodaß es ihm schwer wird, zwischen beiden zu wählen. Endlich entscheidet er sich für Angeria. Teherba begnügt sich in schwesterlich resignirender Liebe. Der Gelehrte muß in die Universitätsstadt zurück, bleibt aber in reger Correspondenz mit Angeria. Da sieht er auf der Straße ein Mädchen, Angerien aufs Haar gleichend. Er entdeckt dessen Wohnung, eilt kühn zu ihr und macht ihr, die ihn gar nicht kennt, als quasi Angeria eine stürmische Liebeserklärung. Sie hat jedoch Mitleid mit seinem Zustande des Schwankens zwischen der fernen Angeria und ihrem sinnlich wahrnehmbaren Ebenbilde. Er kommt öfter ins Haus, und Helene, so heißt die quasi Angeria, verdrängt bald aus seinem Herzen die wirkliche Angeria. Die Nachricht von der Verlobung kommt ins Forsthaus. Obwol Angeria auf einen Stimmungswechsel des jungen Mannes bereits aus dessen Briefen vorbereitet ist, kann sie doch den schweren Schlag nicht ertragen. Sie stirbt an gebrochenem Herzen. Ihre Schwester Teherba kommt geisteskrank nach der Stadt, überrascht den Ungetreuen bei der Braut und führt nun eine drastische Scene auf, in welcher die Liebe zur todten Schwester, vermischt mit der Liebe zum ungetreuen Vetter, sie zur vollendet Verrückten macht. Helenen gelingt es, sie durch ihre Aehnlichkeit mit Angerien zwar zu beruhigen, aber auch sie sinkt dem Grabe zu, in welchem sie sich mit der todten Schwester vereint.